Auf der zweiten Plenarsitzung im Jahr 2021 beschäftigte sich der AK Ruhr mit dem Thema Antiziganismus. Da es sich bei diesem in Deutschland nicht um eine gesellschaftliche Randerscheinung, sondern ein mehrheitsfähiges Einstellungsmuster handelt, ist die Auseinandersetzung mit Antiziganismus auch für die politische Bildungsarbeit relevant. Wissenschaftlichen Input lieferte Katharina Peters vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung mit einem Vortrag über die Verbreitung antiziganistischer Stereotype in den Medien, insbesondere in Polit-Talkshows und dem TV-Format Tatort. Im Anschluss daran referierte Arne Schrader von der Leibniz Universität Hannover über Antiziganismus im Bildungssystem und antiziganismuskritische Bildungsarbeit.
Unter Antiziganismus lässt sich zunächst eine homogenisierende und essentialisierende Wahrnehmung und Darstellung sozialer Gruppen und Individuen verstehen, denen bestimmte Merkmale wie Kriminalität oder Müßiggang zugeschrieben werden. Spezifische Wahrnehmung und Darstellung bilden die Grundlage für diskriminierende und Ungleichheit reproduzierende Strukturen. Betroffene sind meist, aber nicht ausschließlich, Sinti*zze und Rom*nja. Der Begriff Antiziganismus ist jedoch selbst umstritten, da er sprachlich rassistische Fremdzuschreibungen reproduziert. Eine Alternative bietet z.B. der Begriff Gadjé-Rassismus.
Die mediale Vermittlung antiziganistischer Stereotype zeichnet sich durch verschiedene Merkmale aus. In Polit-Talkshows sind sie meist Verbunden mit Diskursen über Flucht, Migration, Kriminalität und Armut. In den Sendungen selbst werden u.a. antiziganistische Stereotype unhinterfragt vorausgesetzt, die nationalsozialistische Verfolgung von Sinti*zze und Romn*nja ausgeblendet, eine Gegenüberstellung von Wir und die Anderen konstruiert und durch die Verbindung mit Illegalität der Eindruck einer nicht integrierbaren Gruppe von Menschen erzeugt. Darüber hinaus lässt sich in verschieden TV-Formaten immer wieder die Verwendung der Kollektivsymbolen Müll und (Problem-)Haus beobachten.
Nicht nur in den Medien, die eine wichtige Rolle in der Vermittlung antiziganistischer Stereotype spielen, sondern auch im schulischen Bildungssystem fehlt es an einem entsprechenden Problembewusstsein. Insofern verfehlen auch didaktische Strategien häufig das eigentliche Problem. Hier besteht insbesondere bei der Ausbildung von Lehrkräften Handlungsbedarf. Eine antiziganismuskritische Bildungsarbeit muss also zunächst Problembewusstsein schaffen. Antiziganismus muss erkannt, benannt und verstanden werden. Dabei gilt es auch die eigene Verstrickung in gesellschaftlichen Alltagsrassismus zu reflektieren. Sowohl in der Bildungsarbeit als auch im Umgang mit Medien ist es unerlässlich, sich antiziganistische Stereotype und Mechanismen bewusst zu machen.