Am 23. und 24. Oktober 2023 trafen sich knapp 20 Vertreter*innen aus den verschiedenen Organisationen des AK Ruhr Netzwerks zur jährlichen Fachtagung im DGB Tagungszentrum Hattingen.
Das Thema der Jahrestagung 2023 lautete: “Antifeminismus als pädagogische Herausforderung – Erscheinungsformen erkennen, Haltung beziehen, Handlungsstrategien entwickeln” und wurde inhaltlich von „Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen“ begleitet.
Warum Antifeminismus?
Toronto, Christchurch, Halle sowie El Paso, Dayton, Orlando, Ohio, Utøya und Hanau – national und international haben wir es in den letzten 10 Jahren mit einer Reihe rechtsterroristischen Anschlägen zu tun, die aus rassistischen und antisemitischen und auch verschwörungsideologischen Gründen begangen wurden. Lange nicht beachtet wurde jedoch der Aspekt, dass eine antifeministische Haltung und genereller Hass auf Frauen ein weiteres verbindendes Element dieser Terroranschläge sind. Dieser Punkt rückt erst in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der allgemeinen Wahrnehmung.
In der politischen Bildung wird Antifeminismus schon lange als “Brückenideologie” in den Rechtsextremismus verstanden. Auf antifeministische Haltungen und Handlungen sind allgegenwärtig und vielfältig – und auch Jugendlichen äußern immer wieder antifeministische Positionen, die im Zeitalter algorithmengetriebener Informationsdistribution ganz schnell zur Rechtsextremismus-Pipeline werden können – also jede Menge gute Gründe für den AK Ruhr, das Thema “Antifeminismus” ganz oben auf die Agenda zu setzen.
Tag 1
Nach einer kleinen Vorstellungsrunde und ein paar initialen soziometrischen Fragen für eine Aufstellung im Raum wurden die Teilnehmenden dazu eingeladen, einzelne Statements mit Hilfe von Klebepunkten im Ampel-Schema zu bewerten. Damit wurde eine interessante Diskussion zu Positionen und Empfindungen zu einzelnen Statements ausgelöst, auch wenn im Großen und Ganzen Einigkeit über die Bewertung herrschte.
Danach ging es in die Begriffsdefinitionen – was sind Misogynie, Sexismus und Antifeminismus eigentlich genau und wo liegen die Unterschiede? Wo gibt es Überlappungen? Unter dem Stichwort “Kontinuitäten” wurde im Anschluss methodisch vergnüglich ein Zeitstrahl entwickelt, bei dem die Teilnehmenden bestimmte Errungenschaften des Feminismus zeitlich einsortieren konnten, was bei einigen Teilnehmenden den “Wettbewerbsmuskel” animierte.
Nach der Mittagspause wurde es dann unappetitlich – in einem Input wurden die Teilnehmenden in die Akteursgruppen des Antifeminismus eingeführt und erläutert, warum Antifeminismus und Antigender als “Türöffnerideologie” mit “Scharnierfunktion” in die extreme Rechte verstanden wird.
Der Tag wurde mit einem Bilderspiel abgerundet und vertieft. Hier ging es vor allem um die subtilen Botschaften, die speziell durch Bilder transportiert werden. Bilder berühren Menschen direkt und unmittelbar emotional – die extreme Rechte macht sich dies in zielgruppengerechter Ansprache gerne zu Nutze. In der Beurteilung von Bildern und Botschaften ist ein großes Kontextwissen nötig, um Bilder und Botschaften dechiffrieren zu können, denn hinter manchem auf den ersten Blick unverdächtigen Slogan steht eine menschenverachtende Ideologie. Es gehört Expertise dazu, solche Slogans und Accounts richtig einzuordnen und sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen gelingt dies nur, wenn sie für die Zusammenhänge von Rechtsextremismus und Antifeminismus sensibilisiert sind.
Da die AK Ruhr Mitglieder alle für ihre Diskussionsfreudigkeit bekannt sind, hingen wir abends etwas in der Zeit, so dass man sich entschloss, die Dokumentation “Re: Krieger und Frauenversteher – wann ist ein Mann ein Mann” zum Thema Männlichkeit nach dem Abendessen in informellerer Runde zu schauen. Trotz des schweren Themas kam Kino-Stimmung auf und danach wurde noch eine Weile angeregt diskutiert, bis die Teilnehmenden sich nachdenklich auf den Weg ins Bett machten.
Tag 2
Nachdem der gestrige Tag den Blick ins Außen gelenkt hat, richtete sich der heutige Tag zunächst ins Innen und einer Reflexion über das eigene geschlechtliche Werden. Es fanden intensive Diskussionen zu Fragen statt wie “Mit welchen Botschaften sind wir aufgewachsen? Was haben die Themen Sexismus und Antifeminismus mit mir persönlich zu tun und wie stehe ich gesellschaftlich da?” und die verschiedenen Ebenen der geschlechtlichen Identität wurden differenziert betrachtet.
Der zweite Teil des zweiten Tages richtete dann den Blick nach vorne und mögliche Handlungsoptionen. Hierzu sind die Teilnehmenden in die Fallarbeit eingestiegen, die sie durch den vorangegangenen Input gut strukturieren konnten. In Gruppen wurde sich unterschiedlichen Fällen gewidmet und überlegt, bis die Köpfe rauchten.
Im Fazit wurde noch einmal genauer darauf eingegangen, welche Chancen und Ziele ein Eingreifen abhängig von den unterschiedlichen Zielgruppen haben kann und wo möglicherweise auch die Grenzen des Machbaren liegen.
Fazit: Alle Teilnehmenden konnten in den zwei intensiven gemeinsamen Tagen zu neuen Erkenntnissen gelangen und inhaltlich ein Update erhalten. Die Jahrestagung wurde als Mehrwert empfunden, denn neben dem Themenschwerpunkt blieb doch immer auch noch etwas Zeit für informelle Gespräche und den kleinen “Klön” zwischendurch beim gemeinsamen Essen. Die Bildungsstätte besticht durch eine gute Verpflegung, bei der auch Allergiker*innen und vegan lebende Personen auf nichts verzichten müssen, lediglich die Barrierefreiheit lässt bauartbedingt zu wünschen übrig.
Der AK Ruhr bedankt sich herzlich bei den beiden engagierten und kompetenten Seminarleiter*innen Caro und Juli und dem Projekt Spotlight der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V. für die professionelle und zugewandte Begleitung der Jahrestagung, von der alle Teilnehmenden profitiert haben und die sicherlich bei allen Teilnehmenden in positiver Erinnerung bleibt!
Über den AK Ruhr:
Der AK Ruhr – Arbeitskreis Ruhr gegen rechtsextreme Tendenzen bei Jugendlichen – wurde 1985 gegründet und ist ein Netzwerk aus mittlerweile über 50 kommunalen Jugendämtern, öffentlichen Einrichtungen, Organisationen und Vereinen aus ganz NRW, die im Themenfeld der pädagogischen Arbeit zu Rechtsextremismus aktiv sind.
Mehr Informationen unter: http://www.ak-ruhr.org/ueber-den-ak-ruhr
Über Autor*in Fluky:
Fluky ist Kartoffel mit Herz und leitet als Referent*in für politische Bildung seit fast 15 Jahren Workshops für Jugendliche und Erwachsene, hält Vorträge und liebt Online-Seminare. Seit 10/23 unterstützt Fluky den AK Ruhr in der Öffentlichkeitsarbeit.
Mehr Informationen unter: https://speakerinnen.org/de/profiles/fluky-kartoffel-mit-herz